IT-ADVO RECHNUNG
Fehler über Fehler
– Wie IT-ADVO die Bezahlung ihrer eigenen Rechnung verhindern
Fehlende Pflichtangaben, falsche Leistungsdaten, unberechtigte Pauschalen: Warum diese Anwaltsrechnung ein Paradebeispiel für vermeidbare Fehler ist – und wie leicht sich die Zahlung rechtlich einwandfrei vermeiden lässt.
Ein Lehrstück für fehlerhafte Rechnungsstellung
Man sollte meinen, eine Anwaltskanzlei wisse, wie man eine rechtssichere Rechnung stellt. Umso erstaunlicher ist die Anzahl an Mängeln in der vorliegenden Abrechnung. Falsche Leistungsdaten? Vorhanden. Fehlende oder fehlerhafte Pflichtangaben? Leider ja. Unberechtigte Gebühren? Auch das. Diese Vielzahl an Versäumnissen wirft Fragen zur Sorgfaltspflicht auf, denn diese Mängel sind nicht nur formaler Natur. Sie können auch steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen und als Buchführungsverstöße gewertet werden – mit potenziellen Folgen für die Umsatzsteuerpflicht, Betriebsprüfungen und das Vertrauen von Geschäftspartnern.

1. Leistungsdatum: Präzision ist Pflicht, nicht Kür
Das angegebene Leistungszeitraum Januar ist nachweislich inkorrekt – die unseriöse Online-Vollmacht wurde erst am 30. Januar unterzeichnet, und die Abmahnung wurde am 31. Januar 2024 an den Mandanten zugestellt. Leistungen vor diesem Datum wären rechtlich nicht zulässig gewesen. Auch wenn die Abmahnung noch im Januar erfolgte, verlangt das Gesetz nach § 14 UStG die Angabe eines konkreten Leistungsdatums, nicht lediglich einen pauschalen Monatsvermerk. In der Rechnung hätte daher ausdrücklich "Leistungsdatum: 31.01.2024" stehen müssen, um den gesetzlichen Anforderungen an Nachvollziehbarkeit und Transparenz zu genügen.
2. Formvorgaben und Unterschrift: Wenn die Form die Wirksamkeit entscheidet
Ein besonders gravierender Mangel betrifft die Unterschrift. Zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung galten die Formvorgaben nach § 10 RVG, die eine Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift oder qualifizierter elektronischer Signatur vorschrieben. Zwar findet sich auf der zweiten Seite der Rechnung eine Unterschrift – allerdings ist diese nicht auf der Seite mit den eigentlichen Rechnungspositionen angebracht. Damit fehlt die Unterschrift direkt auf der Rechnung im Sinne der gesetzlichen Anforderungen.
Das Problem ist nicht nur formaler Natur: Beim Ausdrucken oder bei getrennter Vorlage der Seiten erscheint die erste Seite – die den Zahlungsanspruch begründet – als nicht unterschrieben. Rechtlich gesehen gilt eine Unterschrift, die sich nicht auf der eigentlichen Forderungsseite befindet, als nicht existent, wenn sie nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Noch gravierender ist, dass die Unterschrift weder im Original noch mit einer elektronischen Signatur versehen ist – ein klarer Verstoß gegen die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Formerfordernisse.
Eine gültige elektronische Signatur wäre durch einen sichtbaren Zusatz erkennbar, etwa: "Dieses Dokument wurde elektronisch signiert von [Name]" oder durch einen Signaturblock mit Angaben zum Vertrauensdiensteanbieter. Solche Hinweise fehlen hier vollständig. Damit ist klar: Die vorhandene Unterschrift ist nicht signiert und erfüllt somit nicht die Formerfordernisse.
Die Folge: Die Rechnung ist formal unwirksam. Um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, hätte die Unterschrift entweder direkt unter die Rechnungspositionen gesetzt oder die Rechnung elektronisch signiert werden müssen. Alternativ wäre ein eindeutiger Hinweis auf den Zusammenhang beider Seiten erforderlich gewesen. Bei rechtlich relevanten Dokumenten ist solche Formklarheit unerlässlich – nicht zuletzt, um die eigene Forderung rechtssicher durchsetzen zu können.
3. Pflichtangaben: Fehler, die vermeidbar wären
Eine ordnungsgemäße Rechnung muss nach den gesetzlichen Vorgaben bestimmte Pflichtangaben enthalten. In diesem Fall gibt es jedoch erhebliche Abweichungen: Der angegebene Firmenname ist falsch, da er nicht der tatsächlich eingetragenen Unternehmensbezeichnung entspricht. Zudem fehlt die Angabe der Rechtsform (Ltd.), was für die rechtliche Identifizierung des Unternehmens zwingend erforderlich ist. Auch die angegebene Adresse verweist auf Berlin statt auf den tatsächlichen Firmensitz in Hongkong.
Diese Versäumnisse sind mehr als bloße Formalfehler: Sie können die steuerliche Anerkennung gefährden und führen dazu, dass der Empfänger berechtigt ist, die Zahlung bis zur Korrektur auszusetzen. Für die rechtliche Wirksamkeit und Nachvollziehbarkeit ist es unerlässlich, dass alle Pflichtangaben korrekt, vollständig und den Unternehmensunterlagen entsprechend aufgeführt sind.---
4. Pauschale für Post und Telekommunikation: Nur mit vorheriger Vereinbarung zulässig
Eine Pauschale von 20 € für Post und Telekommunikation mag auf den ersten Blick gering erscheinen, doch rechtlich entscheidend ist, ob sie vereinbart wurde. Stand sie weder im Angebot noch wurde sie vorher besprochen, darf sie nicht einfach berechnet werden. Das Transparenzgebot nach § 307 BGB verlangt, dass Vertragspartner nicht durch überraschende oder unklare Klauseln benachteiligt werden.
Ein Lehrstück für fehlerhafte Rechnungsstellung
Diese Rechnung ist derart fehlerhaft, dass sich ein Mahnbescheid nahezu unbegrenzt angreifen lässt – und damit die Zahlung bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verzögert werden kann. Wer sich auf eine systematische Einwandstrategie einlässt, kann mit jedem neuen Widerspruch den Prozess in die Länge ziehen. Hierbei genügt es, stets nur einen einzelnen Mangel zu monieren und auf die Korrektur zu bestehen.
Zunächst kann man das falsche Leistungsdatum beanstanden, anschließend die fehlende oder unzureichende Unterschrift, dann die fehlerhafte Firmierung und schließlich die unberechtigt angesetzte Pauschale. Jeder einzelne Widerspruch verlangt eine Antwort, eine mögliche Korrektur – und schafft so immer neue Angriffspunkte. Das Ergebnis? Ein endloser Kreislauf von Korrekturen, die den Zahlungseingang effektiv blockieren können.
Besonders peinlich für die Kanzlei: Wer eine derart mangelhafte Rechnung erstellt, zeigt nicht nur ein mangelndes Verständnis für grundlegende Buchhaltungsregeln, sondern erschwert sich selbst die Durchsetzung seiner eigenen Forderungen. Wenn sie schon nicht im eigenen Interesse auf eine korrekte Rechnungsstellung achten, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie sorgfältig arbeiten sie dann wohl für ihre Mandanten?
Warum eine sorgfältige Rechnungsstellung auch im Interesse des Ausstellers liegt
Korrekte Rechnungen sind mehr als ein bürokratischer Akt: Sie zeigen Professionalität und helfen, Zahlungsverzögerungen zu vermeiden. Wer auf korrekte Pflichtangaben, formale Sorgfalt und transparente Kostenaufstellungen achtet, sorgt nicht nur für einen reibungslosen Zahlungsfluss, sondern auch für ein vertrauensvolles Mandatsverhältnis.